Das Jacobs Center for Productive Youth Development der Universität Zürich hat untersucht, wie die externe Kinderbetreuung die Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter beeinflusst. Die analysierten Daten wurden im Rahmen des Zürcher Projektes zur sozialen Entwicklung von der Kindheit ins Erwachsenenalter (z-proso) erhoben und umfassen rund 1’300 Stadtzürcher Schulkinder von 7 Jahren bis zum Alter von 20 Jahren.
Auswirkungen im Primarschulalter
Rund 67 Prozent dieser Kinder wurden vor dem Kindergartenalter fremd betreut. Davon besuchten 32 Prozent eine Kindertagesstätte, 22 Prozent eine Spielgruppe. Weitere 22 Prozent waren zeitweise bei Familienmitgliedern, 3 Prozent bei Bekannten oder Nachbarn, 12 Prozent bei Tagesmüttern. Die Forschenden befragten die Kinder wie auch die Eltern und Lehrpersonen zu auffallend extrovertiertem oder introvertiertem Verhalten, zu Straffälligkeit und Drogenkonsum. Dabei zeigte sich, dass sich die im Primarschulalter beobachteten Verhaltensweisen je nach Auskunftspersonen und je nach besuchter externer Betreuung unterschieden.
Nach Einschätzung der Eltern zeigten die Primarschülerinnen und Primarschüler mehr Aggressivität, ADHS-Symptome, aber auch Ängstlichkeit und Depressivität je mehr Zeit sie im Vorschulalter in einer Krippe verbrachte hatten. Die Angaben der Kinder selbst weisen teilweise in dieselbe Richtung.
Laut den Lehrpersonen sind Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsprobleme oder aggressives Verhalten eher bei denjenigen Schülerinnen und Schülern zu beobachten, die mehr als zwei Tage pro Woche bei einer Tagesmutter verbracht oder an mindestens drei Tagen pro Woche eine Spielgruppe besucht hatten.
Auffallende Verhaltensweisen verschwinden meist wieder
Wie lassen sich diese Befunde erklären? «Einerseits ist es möglich, dass eine externe Kinderbetreuung zu einer weniger sicheren Bindung und Interaktion zwischen Eltern und Kindern führen kann», sagt Erstautorin Margit Averdijk. Andererseits könnten Kinder in Krippen und Spielgruppen das Problemverhalten von Gleichaltrigen nachahmen und es teilweise auch einsetzen, um von den Betreuungspersonen Aufmerksamkeit zu erhalten.
«Obwohl wir nicht direkt prüfen konnten, welche dieser Mechanismen unsere Ergebnisse am wahrscheinlichsten erklären, unterstützen beide unsere Ergebnisse», erklärt die Forscherin. Die gute Nachricht: Die in der Primarschule beobachteten Verhaltensauffälligkeiten nehmen mit der Zeit ab und verschwinden ab dem 13. Altersjahr weitgehend. Nur die Symptome von ADHS halten sich etwas hartnäckiger.
Kein genereller Zusammenhang mit Substanzkonsum im Jugendalter
Die Forschenden fanden auch keine Hinweise darauf, dass externe Kinderbetreuung generell mit Delinquenz und Substanzkonsum im Jugendalter zusammenhängt. Einzig bei Kindern aus prekären Verhältnissen geht eine häufige Krippenbetreuung im Vorschulalter mit mehr Substanzkonsum im Jugendalter einher. «Es scheint, dass solche Kinder mit zunehmendem Alter auch eher zu Ängsten oder depressiven Symptomen neigen. Diese können sich aufgrund der Abwesenheit ihrer Eltern weiter verstärken», erklärt Averdijk.
Vorsicht bei der Interpretation
«Unsere Studie beleuchtet mögliche ungünstige Zusammenhänge zwischen externer Kinderbetreuung und der kindlichen und späteren Entwicklung», fasst Letztautor Manuel Eisner zusammen. Der Soziologieprofessor warnt jedoch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Zwar entspräche die Studie höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandards, basiere aber auf Beobachtungs- und Befragungsdaten, mit denen sich Rückschlüsse auf ursächliche Zusammenhänge nicht immer klar ziehen liessen. Auch konnte die Qualität der ausserfamiliären Betreuung in der Studie nicht berücksichtigt werden.
Literatur:
Margit Averdijk, Denis Ribeaud, and Manuel Eisner. External childcare and socio-behavioral development in Switzerland: Long-term relations from childhood into young adulthood. PLOS ONE, 9 March. DOI: 10.1371/journal.pone.0263571
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